Wer schon einmal das neue Jahr in Japan begrüßt hat, kennt von dort vielleicht auch den shintoistischen Brauch des Hatsumōde. Hierbei handelt es sich um den ersten Schreinbesuch im neuen Jahr. Dieser Besuch findet traditionell entweder in der Silvesternacht (kurz nach Mitternacht) mit großem Andrang und Hallo statt, oder zumindest in den ersten drei Tagen des neuen Jahres: In Japan dauert „Neujahr“ nämlich vom 1. bis zum 3. Januar. In einer säkularisierten Gesellschaft wie der unseren mag mancher die Nase rümpfen, wenn er hört, dass man in manchen Kulturen zum neuen Jahr im Gotteshaus vorbeischaut, um dem lieben Gott einen guten Tag (und in einem auch ein frohes neues Jahr) zu wünschen, aber in Japan kriegt man es tatsächlich hin, seinen Schreinbesuch schnell, unorthodox und trotzdem irgendwie feierlich zu gestalten.
Da Shinto-Schreine in Deutschland arg dünn gesät sind und auch der Hatsuuri (in Japan üblicher dreitägiger “verkaufsoffener Feiertag“ mit Rabattaktionen zum neuen Jahr) nahezu vollkommen unbekannt ist, habe ich für mich persönlich in den vergangenen Jahren den japanischen Brauch des Hatsudori eingeführt und gepflegt: Grundsätzlich bedeutet das Wort nur „das erste Mal im neuen Jahr fotografieren“. In meinem Fall heißt es aber auch, dass ich in den ersten Tagen des neuen Jahres versuche, so oft wie möglich mit der Kamera vor die Tür zu gehen und zu knipsen, was mir vor die Linse kommt. Das klärt den Kopf und schärft den Blick für neue Bilder. Auch da, wo auf den ersten Blick oft gar kein Motiv zu erkennen ist.
Vermutlich haben ziemlich viele Fotografen ähnliche Bräuche, benennen sie nur nicht so: „Im neuen Jahr die Kamera aber wirklich mal öfter nutzen“ ist sicher ein Vorsatz, den manche haben. Und bei manch anderen findet das wilde Rumgeknipse vielleicht schon ein paar Tage vor Silvester statt, nachdem sie unterm Weihnachtsbaum eine neue Kamera, ein neues Objektiv oder neues Zubehör gefunden haben und „jetzt aber schnell mal ein paar Bilder machen“ wollen – was ja auch durchaus legitim ist.
Jedenfalls, ich habe mir dieses Jahr den Luxus gegönnt, an den ersten sieben Tagen des Januars Kamera-Spaziergänge zu unternehmen. Bedeutende Kunst mag dabei nicht herausgekommen sein… aber zumindest ein paar Fotos, die gut genug sind, um sie hier zu zeigen. Und das Internet ist ja bekanntlich ein verrückter Hund… Vielleicht finden sich im nächsten Jahr ja sogar ein paar Mitstreiter für eine Hatsudori-Challenge, einen Hatsudori-Fotowalk oder einen Post-Hatsudori-Bildvergleich? Ich bin auf jeden Fall gespannt, welches Echo dieser Eintrag produzieren wird…