Man muss es in brutaler Offenheit sagen: Familie ist etwas Wunderbares. Nachdem vor wenigen Wochen erst meine Nichte in Frankfurt zu Besuch war, überraschte mich meine Schwester zum Geburtstag mit einem ganz besonderen Geschenk. Eine Domdachführung wollte sie für mich organisieren, also eine Führung durch die Bereiche des Kölner Doms, in denen die Dombauhütte ihren Dienst tut und die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht so leicht zugänglich sind.
Das einzige Problem, das sich dabei ergab: Es stellte sich recht bald heraus, dass Domdachführungen sehr beliebt sind – und so waren die Optionen, die zur Verfügung standen, einen Wochenend-Termin frühestens Ende Oktober zu ergattern, oder einen Wochentag zu nutzen, um sich auf den Dom führen zu lassen. Natürlich entschied ich mich für die zweite Variante, schließlich wollte ich mein Geschenk ja zeitnah in Empfang nehmen. Also wurde flugs ein Urlaub eingeplant, da die Führung am 15. Mai stattfinden sollte.
Jetzt ist nicht nur Familie, sondern auch Heimat an sich wunderbar. Also verbrachte ich das komplette Wochenende, von Samstag bis Dienstag, in Bonn im Kreise einiger meiner Lieblingsmenschen: Am Samstag erst den Nachmittag mit einem guten Freund im Garten zu verbringen, um danach die Nachbarn in der kleinen Kneipe an der Ecke zu besuchen, das hat schon sehr viel Spaß gemacht. Der Wirt der Kneipe hat schon mit meiner Schwester im Sandkasten gespielt, und insofern kann man wohl sagen, er gehört zur Familie, irgendwie. Der Muttertag am Sonntag verlief dann auch sehr harmonisch, zwei Mütter gab’s in der Familie zu feiern, beiden wurde von ihren Kindern in angemessener Form gedankt.
Am Montag fuhren wir dann gemeinsam mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Köln, um uns den Backstage-Bereich des Doms anzusehen. Am frühen Abend trafen wir unsere Führerin vor dem Hauptportal des Doms, und mit dem Lastenaufzug ging es zunächst ins „Zwischengeschoss“. Hier hatten wir Gelegenheit, uns die Fenster des Doms aus nächster Nähe anzusehen – und den Innenraum des Doms aus einer Perspektive zu betrachten, die man so normalerweise nicht hat. Schon hier merkte ich: Es hatte sich gelohnt, die Kamera mitzunehmen. Viel gab es zu sehen, es wäre ein Jammer gewesen, das nicht im Bild festzuhalten. Viel gab es allerdings auch zu hören. Wenn sie nicht gerade die technischen Aspekte von Dombau und -erhaltung für Besucher erläuterte, arbeitete unsere Führerin als Kunstglaserin für die Dombauhütte, und so konnten wir von ihr besonders viel über die Fenster des Doms erfahren – und zwar sowohl über ihre Herstellung im Mittelalter und die Bedeutung, die sie damals für die Menschen hatten, als auch über die technischen Aspekte, die bei ihrem Erhalt für die Nachwelt zu berücksichtigen sind.
Dabei betonte sie immer wieder, dass die Führerinnen und Führer, die den jeweiligen Besuchern diesen Teil des Doms zeigen, durchaus unterschiedliche handwerkliche Hintergründe haben. Deshalb könnte bei einer anderen Führung durchaus ein anderer technischer Aspekt im Vordergrund stehen. Sicher wäre es auch interessant, von einem Steinmetz Näheres dazu zu erfahren, wie dieser Teil der Bausubstanz des Doms erhalten wird.
Eineinhalb Stunden dauerte die Führung, und am Ende hatten alle Beteiligten das Gefühl, viel gesehen und gelernt zu haben. Und das Gefühl, dass es sicher noch viel mehr zu lernen und erkunden gibt. Wir hatten ja quasi nur an der Oberfläche gekratzt. Außerdem wurden wir darauf hingewiesen, dass auch die Dombaufreunde dazu beitragen, die Kosten für Erhalt und Pflege des Kölner Doms zu finanzieren. Ich teile hier den Link, weil ich denke, der Zentral-Dombau-Verein leistet eine Arbeit, die kulturell und gesellschaftlich wichtig und unterstützenswert ist. Schließlich ist auch der Dom für viele Kölner ein Stück Heimat, das für kommende Generationen zu erhalten lohnt.