Lange habe ich mir überlegt, was ich diese Woche wohl auf meinem Blog schreiben will? Einige Themen gingen mir durch den Kopf, Bilder, die ich noch nicht gezeigt habe, und ihre Entstehungsgeschichten waberten durch die Gedankenwelt, aber dann war es der Sohn vom alten Augstein, der in seiner Kolumne auf Spiegel online das Thema setzte. Während es dort allerdings eher um die Parallelen zwischen Trump und Merkel geht und um die verantwortungsvolle Aufgabe der Kanzlerinnen- und der Präsidentenexegeten, dachte ich mir beim Lesen: Ja, Pfingsten! Das ist doch mal ein Thema, über das ich bis jetzt viel zu wenige meiner Gedanken zu Papier – oder zu Blog – gebracht habe.
Eine Tatsache, die im Zusammenhang mit diesem Fest häufig vergessen wird, die manchem vielleicht gar nicht mehr so bewusst ist: Pfingsten ist nicht nur ein liebliches Fest, wie es uns schon der alte Goethe lehrte, und Pfingsten ist nicht nur der Termin, an dem in meiner Wahlpflichtheimat Frankfurt der Wäldchestag begangen wird… Nein, Pfingsten ist auch das Fest, an dem die Christen Aufbruch feiern. Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte ist beschrieben, wie der Heilige Geist über die Jünger kam und ihnen die Fähigkeit gab, in den fremden Sprachen fremder Völker zu reden und zu verkünden, was sie wussten und was sie glaubten. Petrus war es, der eine flammende Rede hielt und damit tatsächlich zu dem Fels wurde, auf dem die Kirche erbaut wurde, die der Christus schon zu Lebzeiten von seinem Jünger gefordert hatte. Und wenn man bereit ist, sich auf die Geschichte einzulassen, dann handelt sie nicht nur von flammenden Zungen, die im Raum schweben, und von übernatürlichen Phänomenen, die man heute zumindest kritisch betrachten mag, sondern vor allem von zwei ganz diesseitigen Wundern: Vom Wunder des Muts und vom Wunder der Inspiration.
Die Sache mit dem Mut ist relativ eindeutig. Gut sieben Wochen nach der Hinrichtung des Lehrers treten die Schüler an die Öffentlichkeit und sagen allen, die es wissen wollen: Die Kreuzigung war ein Fehler, aber Jesus lebt. Ihr konntet ihn nicht töten. Mit dieser Aussage bringen sich die Jünger in Gefahr. Aber offensichtlich hat sich das Risiko gelohnt: Nach Petrus‘ Rede gewinnt die junge Gemeinde mehrere tausend neue Mitglieder, und so nimmt das Christentum erst Fahrt auf. Wäre die Rede aber nicht so inspiriert gewesen wie sie war, dann hätte die Geschichte ganz anders enden können, und wer weiß, welche religiösen Strömungen das Abendland dann heute prägen würden?
Die Frage, die wir uns jetzt stellen können, lautet klar: Na und? Ist doch alles lange her, muss mich doch nicht mehr interessieren? Hauptsache, Montag ist arbeitsfrei, der Rest ist doch nur christliches Brimborium. Oder?
Oder auch nicht. Wie gesagt, bei Pfingsten geht es nicht nur um flammende Zungen und betrunken daherredende Jünger (vgl. Apg 2,13) – sondern eben auch um Mut und Inspiration. Und diese Eigenschaften, auf denen das Pfingstwunder beruht, können auch heute noch im Alltag hilfreich sein: Jeder hat eine Meinung. Manchmal gehört Mut dazu, seine Meinung zu vertreten. Und wenn man das nicht mit den richtigen, inspirierten Worten tut, hat man nur geringe Chancen, Hörer und Leser von der eigenen Meinung zu überzeugen. Insofern ist Pfingsten auch für mich als Blogger inspirierend, selbst wenn ich nicht an einem hohen jüdischen Feiertag in Jerusalem auf die Straße gehe, um mich zu einem frisch hingerichteten Heiland zu bekennen, sondern einfach nur in der friedlichen Atmosphäre meines Arbeitszimmers Texte in den PC formuliere, um sie dann später dem kleinen Teil der Weltöffentlichkeit zu präsentieren, der diese Texte liest. Denn auch in diesem minimal kleinen Rahmen erfordert es Mut und Inspiration, sich eine Meinung zu bilden, diese auszuformulieren und dann auch öffentlich zu vertreten. Gerade dann, wenn man sich selbst als eher introvertierten Charakter begreift, so wie ich es immer noch manchmal tue.
Natürlich, das ist nur ein persönlicher Versuch, das Pfingstwunder zu begreifen, zu interpretieren und in unsere Zeit zu übersetzen. Ob irgendjemand sonst meinem Gedankengang folgen will? Das lässt sich im Augenblick nicht sagen. Aber der Demokratie tut es auf jeden Fall gut, wenn Menschen sich zu ihren Meinungen bekennen: Mir ist es schon passiert, dass ich mich mit Sympathisanten der „Alternative“ für Deutschland oder anderen tendenziell auch rechts Denkenden über Politik ausgetauscht habe… und am Ende kamen wir zu dem Schluss, dass Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt, Willy Brandt, Egon Bahr und Herbert Wehner für alle am Tisch jederzeit wählbar wären – weil diese Politiker der „alten Republik“ eben noch in einer klaren Sprache klare Visionen formulierten, während heute zu viel Unklarheit darüber herrscht, wer eigentlich wofür steht. Womit wir wieder bei Augsteins Merkel-Trump-Vergleich und der Notwendigkeit der Politikerredenexegese angekommen wären.
Was aber dieser Text jetzt sagen will? Das bleibt wie so oft im Vagen. Vielleicht wollte ich einfach den Herrn Augstein wissen lassen, welche Gedanken er in mir ausgelöst hat. Vielleicht wollte ich mir einfach mal ein paar Gedanken über das Pfingstfest machen und mich dazu bekennen, dass mich die Botschaft dieses Fests auch knapp 2000 Jahre nach den Ereignissen des Schawuot-Fests nach Christi Kreuzigung noch erreicht.
Tatsache ist: Mit diesem Text entfernt sich www.klangdeslichts.de schon wieder ein Stück von der ursprünglichen Intention, ein Fotoblog zu sein. Aber ein reines Fotoblog wäre ja auch langweilig, oder? Ich bin selbst auch ein wenig gespannt, wohin diese Reise in Zukunft wohl noch gehen mag.
Wäre ja nicht schlecht, wenn der Heilige Geist über Alle kommen würde, könnte einer friedlicheren Welt sehr zuträglich sein.
Zumindest wäre Mut und Inspiration erforderlich, um einige der weniger zivilisierten Debatten in diversen sozialen Netzwerken aus dem Zustand der Barbarei herauszuführen… „Der Rüpelhaftigkeit mit Sanftmut entgegentreten“ fordert in Online-Kommentare nicht sooo viel Mut – und hat im besten Fall sogar eine aufklärerische Wirkung.