Einen Text zur letzten Weihnacht habe ich ja schon am Sonntag hier veröffentlicht. Eigentlich hätte damit Ruhe sein sollen bis zum Christfest, aber irgendwie juckt es schon wieder in den Fingern: Ein sehr schöner Text auf Zeit online hat mich daran erinnert, dass dies die Zeit des Jahres ist, in der viele Menschen in die alte Heimat fahren. Zugleich hat er eine Definition geliefert, was diese Heimat denn eigentlich ist. Und das war’s, was den Ausschlag zu diesem Beitrag lieferte: Schließlich habe ich mir darüber auf diesem Blog auch schon gelegentlich Gedanken gemacht, und schließlich läuft auch gerade eine Diskussion in der Republik, wie die Heimat in der Postmoderne denn zu definieren sei.
Angestoßen hat die Diskussion aktuell kein Geringerer als Sigmar Gabriel, und nachdem es lange genug im Blätterwald gerauscht hatte, musste auch ich mir mal durchlesen, was er denn so geschrieben hatte in seinem Gastbeitrag für den Spiegel, der in letzter Zeit viel debattiert wird. Dass ich dafür ausnahmsweise sogar zahlen musste, nahm ich dabei billigend in Kauf: Guter Journalismus darf ruhig etwas kosten, und der Preis für den einzelnen Artikel lag deutlich unter dem, was zum Beispiel ein Stück Musik im iTunes-Store kosten darf. Das aber nur am Rande…
Mein Eindruck zu Gabriels Thesen war: Die Empörung, die ihm mancherorts entgegenschlug, hatte er nicht wirklich verdient – vielleicht habe ich aber auch einfach nicht verstanden, worum es wirklich ging. vielleicht war ich nur auf den Titel „Sehnsucht nach Heimat“ angesprungen, vielleicht hatte ich aus seinen Worten nur gelesen, was ich lesen wollte. Aber so wirklich anstößig war das nicht.

Nun die Frage: Was hatte ich aus Gabriels Worten herausgelesen? Dass Heimat irgendwie was Geiles ist, und dass die Postmoderne, so wie sie ist, nicht ganz so schön ist, wie wir sie uns ursprünglich versprochen hatten. Dass der Neoliberalismus vielleicht doch nicht so der Weisheit letzter Schluss ist? Diesen Gedanken nun halte ich sogar für allgemein anschlussfähig. Das Problem ist doch: Viele sind unzufrieden mit der Status Quo, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich, und anstatt die soziale Frage zu stellen, veranstalten wir Debatten über die Identität, und manche sehnen sich nach der Vergangenheit zurück. Diese Debatte erst mal anzunehmen ist doch grundsätzlich gar nicht so verkehrt. Und Gabriels Angebot, den Kapitalismus nicht nur auf nationaler, sondern stattdessen gleich auf europäischer und globaler Ebene zähmen zu wollen, finde ich zunächst einmal verlockend. Ambitioniert, das sicherlich, aber schließlich will er es nicht alleine stemmen, sondern wirbt erst einmal nur für seine Position. Genauso wie Martin Schulz, der unlängst die Vereinigten Staaten von Europa aus der Taufe heben wollte – und dafür von einigen wieder diskursiv gesteinigt wurde.
Dabei bietet sich mit Schulz‘ Vorschlag doch eine Möglichkeit, in der Identitätsdebatte einen neuen Ton anzuschlagen: Wer die Vereinigten Staaten von Europa fordert, der schafft Deutschland, Frankreich, Polen, BeNeLux nicht ab… Sondern verschafft Millionen von Menschen, die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union leben, eine neue Identität als Europäer. Dass eine solche Identität über die Jahre erst einmal wachsen müsste, ist natürlich klar. Aber Rom wäre nie gebaut worden, wenn nicht eines Tages irgendwer die ersten Steine für das erste Haus zusammengefügt hätte.

Und wer sagt denn, dass da nichts wachsen könne? Schon im Oktober berichtete die Frankfurter Rundschau anlässlich einer Rede des Bundespräsidenten über die Entwicklung des Heimatbegriffs in den letzten 150 Jahren. Und zitierte in einem anderen Debattenbeitrag Volker Beck, der wiederum Psalm 24 mit den Worten „Mensch, deine Heimat ist die Erde“ paraphrasierte.
Vielleicht erwächst uns als Spezies ja gerade tatsächlich ein neues, ein globales Heimatgefühl, vielleicht sind die von der Globalisierung verursachten Probleme, der Klimawandel und unsere Versuche, ihn irgendwie beherrschbar zu machen, ja nur die Geburtswehen einer neuen Zeit des Friedens und der Harmonie, die irgendwann tatsächlich möglich wird, wenn wir als Spezies erkennen, dass Kooperation mehr bringt als Konfrontation, dass wir den Karren nur gemeinsam aus dem Dreck ziehen können, den unsere Vorväter sicher ohne böse Absicht da hineingelenkt haben?
Natürlich ist es eine blanke Utopie, was ich mir hier aus den Fingern sauge, genauso wie die Vision eines Martin Schulz, der – immerhin nicht als Erster – von den Vereinigten Staaten von Europa träumt, genauso wie der Aufruf eines Sigmar Gabriel, der von seinen Genossen unter anderem fordert, die politischen Konzepte der Sozialdemokraten zu europäisieren und zu internationalisieren. Und der für einen anderen Teil seiner Forderungen von unerwarteter Seite Lob erhält.
Natürlich ist es eine Utopie, dass alle Menschen Brüder werden. Aber schließlich ist Weihnachten, da darf man sich ja mal was wünschen – und wenn ich mir den Weltfrieden wünsche, dann bin ich zwar relativ sicher, dass viele das naiv finden… aber mir persönlich erscheint der Gedanke mindestens charmant, dass wir alle mal ein wenig nett zueinander sind. Und zwar eben nicht nur in der Familie, sondern auch mal so insgesamt, global gesehen.

Denn letztlich ist es doch so: Der Mensch stammt vom Affen ab. Seine Urheimat ist irgendwo in der Vergangenheit in der Savanne, er hat sich ausgebreitet über den Planeten wie ein Virus, hat sich die Erde untertan gemacht… und jetzt teilt sich die Menschheit diese Erde, die sie sich geformt hat. Viele von uns haben allerdings scheinbar vergessen, dass wir letztlich nur eine große Familie sind.
Meine spinnerte Vision von einem gemeinsamen Weg in die Zukunft habe ich unter dem Arbeitstitel „Das Globalistische Manifest“ aufgeschrieben und irgendwann dann auch tatsächlich ein paar Leuten gezeigt – immer in der Hoffnung, dass der eine oder andere Gedanke auch diskutiert werden mag. Und jetzt stelle ich den Text hier zum Download zur Verfügung, im klaren Bewusstsein, dass er damit im Prinzip für die ganze Welt zugänglich ist. Ein bisschen verrückt ist das ja schon, vielleicht, so irgendwie.

Aber dann: „Ich mach jetzt endlich alles öffentlich und erzähle, was ich weiß“, so steht es im Mission Statement dieses Blogs, der bald ein Jahr alt wird. Und über kurz oder lang musste ich diesen Text wohl öffentlich machen. Für die Schublade ist er einfach viel zu schade, und er hat sich schon lange gewünscht, einem breiteren Publikum zugeführt zu werden. Weihnachten ist das Fest, an dem wir kleine Wünsche erfüllen, und mit diesem Blogbeitrag erfülle ich den Wunsch meines kleinen Texts… der ja irgendwie vermutlich auch der Wunsch des Autors ist.
Was ich sonst noch für Wünsche habe, zur Weihnacht und zum neuen Jahr? Erst einmal ein paar friedliche, harmonische Tage mit der Familie in der Urheimat des Ito. Dann vielleicht ein paar Ideen für frische Texte. Und natürlich den Weltfrieden für die eine, die globale Heimat meiner Spezies. In diesem Jahr hat’s zwar noch nicht so gut geklappt damit, aber so ein neues Jahr ist ja auch immer wie ein neues Leben: „You may say I am a dreamer“, hat mein guter Freund John immer gesagt, „but I am not the only one.“
Nein, der Einzige war John wirklich nicht. Ich bin auch einer, das will ich gar nicht leugnen. Und vielleicht schließt du dich uns ja eines Tages an, damit die Welt, unsere gemeinsame Heimat, in Einheit und Harmonie leben kann.
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