Hurra, wird mancher sagen, der alte weiße Mann schreibt wieder über seine Heimat! Das hat er schon letztes Jahr getan, erst im Juli und dann noch einmal im Dezember. Aber die Debatte darüber, was Heimat ist, tobt weiter – oder wird sie nur auf kleiner Flamme im Hintergrund geköchelt, und ich bilde mir nur ein, dass ein Diskurs stattfindet, weil ich in meiner Filterblase immer mal wieder den Propheten Google bemühe, um mir die neuesten Beiträge zur Debatte vorsortiert servieren zu lassen? Das wäre zumindest eine Möglichkeit… aber irgendwo muss man ja schließlich seine Themen finden, und wenn man so ein Blog fürs Netz schreibt, ist es irgendwie naheliegend, im Netz nach Themen zu suchen, die sich diskursiv abarbeiten lassen. Heimat also: Erneut ins Bewusstsein gespült hat mir den Begriff die Zeit online, als sie in einer Artikelüberschrift im Februar die Verlustangst beschwor, die manche erfasst, wenn sie von Heimat reden… um dann den Unterschied zwischen Heimat und Zuhause herauszuarbeiten, der darin besteht, dass man sich das Zuhause erst einrichten muss, während die Heimat quasi von Geburt an vorhanden ist. Ich denke ja eher, dass man sich auch die Heimat erst erarbeiten muss, was allerdings im frühkindlichen Heimatfindungsprozess nicht als „Arbeit“ im klassischen Sinne wahrgenommen wird.
Interessant war in diesem Zusammenhang ein Artikel im Tagesspiegel, der festhält, was der Heimat fehlt: Nämlich ein ordentlicher Plural. Manchem von uns passiert es nämlich wirklich, dass er sich im Laufe seines Lebens mehrere Heimaten erarbeitet, und wenn er dann im Duden nachschlägt, stellt er fest: Den Plural von Heimat gibt es gar nicht. Tolle Wurst! Was gibt es dann? Das Gegenteil von „Heimaten“, nämlich gar keine Heimat, postuliert das Neue Deutschland in einem Text mit der schönen Überschrift: Links ist da, wo keine Heimat ist. Und wieder: Tolle Wurst! Wenn ich mich als tendenziell eher links sehe, gleichzeitig aber tendenziell eher heimatverbunden bin – bin ich dann zum Aussterben verurteilt, gehöre ich dann zur Kategorie der „politisch Heimatvertriebenen“? Da sage ich herzlich Danke… und schaffe mir selbst eine neue (politische) Heimat zumindest in Gedanken, zumindest in einer kleinen Denkschrift, die außer mir vermutlich eh wieder keinen interessiert.
Aber reicht eine politische Heimat allein aus, um glücklich zu sein? Heiko Maas scheint das zu glauben, wenn er auf Spiegel online so eine Art „Verfassungsheimat“ definiert, die sich „aus der Fähigkeit zur Selbstkritik beim kollektiven Blick zurück“ nährt. Und damit nähern wir uns langsam dem Knackpunkt der Debatte, der Schwierigkeit beim Reden über „Heimat“ im Jahr 29 nach dem Fall der Mauer: Meine „alte Heimat“ ist die BRD der 70er und 80er, die unwiederbringlich weg ist, genauso wie die DDR, die sich zu ihrer Zeit stets als das „bessere Deutschland“ verstand. Allein schon durch das Zusammenwachsen von Ost und West entsteht so in Gesamtdeutschland ein heterogener Heimatraum, der dadurch umso komplexer wird, dass der hier seit mehrere Generationen Verwurzelte ihn sich mit Menschen teilt, deren Eltern ihre Wurzeln in ganz anderen Regionen und Nationen hatten – vielleicht ist es also wirklich höchste Zeit für ein Heimatministerium, damit die in diesem Land beheimateten Menschen zu einer gemeinsamen Definition der heterogenen Heimat finden können.
Ein Problem, dem sich das Heimatministerium stellen müsste: Von vielen wird Heimat rein regional gedacht, andere versuchen, die Begriffe „Heimat“ und „Nation“ untrennbar zu verknüpfen. Was natürlich in die Sackgasse führen muss, wenn man den Heimatbegriff auch für eine gedacht globalistische, liberale Linke öffnen will. Vielleicht wäre es ja wirklich schön, wenn sich alle bei der Rede über Heimat etwas entkrampfen würden, auch wenn der Begriff für Linke und für Rechte, für Menschen im Osten und im Westen durchaus unterschiedlich konnotiert ist.
Vielleicht erledigt sich das Problem ja auch in ein oder zwei Generationen, wenn wir uns darauf einigen, dass „Heimat“ nicht nur regional oder national, sondern eben auch global gedacht werden kann – wir können schließlich zum Mond fliegen, arbeiten an der Erkundung des Mars, wieso sollten wir da nicht auch in der Lage sein, die Erde tatsächlich als „Heimatplaneten“ zu begreifen… und die Debatte über unsere gemeinsame Heimat nicht nur auf nationaler Ebene, sondern zum Beispiel auch mal europäisch führen? Wie gesagt, ein oder zwei Generationen weiter sieht die Heimatdebatte sicher schon ganz anders aus, als sie sich jetzt darstellt… Wenn wir nur alle fleißig daran arbeiten, das Wort „Heimat“ für Rechts und Links gleichermaßen nutzbar zu halten, wenn wir neben der regionalen und der nationalen auch noch die globale Bedeutungsebene für den Begriff erschließen.
Den weiteren Verlauf der Debatte darf man sicherlich gespannt erwarten.
Halleluja,
Da hat der ehrenwerte Thomasius mal wieder ein Stückchen Menschenvereinigung zurecht gedacht. Schade nur, dass es auch bei einem allgemein gültigen Heimatverständnis als ‚Erdling‘ immer noch Gruppen geben wird, die meinen, sie seien würdigere oder bessere Erdlinge als andere.
Schön gedachte Erlingnismus, genau so Schön wie mein Wirtschaftsideal. Aber beide scheitern leider an den Wölfen unter den Erdlingen.
Wert zu lesen war es allemal und es hat zum Denken angeregt. Somit hat der Blog sein Ziel erfüllt.
Danke, lieber Buddy!
Ich hab zu danken, Torsten, für den Kommentar.
Dass die Vision einer „globalen Heimat“ erst einmal das ist, eine Vision, eine Utopie – das ist mir natürlich selbst auch klar. Aber wenn man die Utopie nicht formuliert, dann kann sie niemals zur Realität werden.
Wie gesagt: Warten wir mal ein, zwei oder drei Generationen ab, wie sich die Debatte so entwickelt. Im Zweifel darf man sicherlich gespannt darauf sein, was anderen noch so zu dem Thema in die Sinne kommt.
Anfang der achtziger Jahre war ich ein paar Monate lang mit Ahmet befreundet, Ahmet kam, man ahnt es schon, aus Duisburg. Manchmal wisse er nicht, ob er Deutscher oder Türke sei, sagte er zu mir, seine Eltern aber fühlten sich nach wie vor als Türken und seien noch nicht richtig in der neuen Heimat angekommen. Auch heute sind sehr viele Menschen türkischer Nationalität in Deutschland angekommen oder würden es gar Heimat nennen, was vermutlich an drei Faktoren liegt: zum einen am unverwüstlichen Erdoganfieber und zum anderen an den Schikanen derer sie in Deutschland ausgesetzt sind und drittens ist Heimat womöglich genetisch verankert.
Heimat ist da wo die Eltern, die Großeltern die Verwandtschaft sind. Die Häuser, die Gärten, die Landschaften. Heimat wird von Jahr zu Jahr umfangreicher: der Stadtteil, die Stadt, die Region. Das Land? Wo ist Heimat, wenn man von dem einen Teil Deutschlands in einen gänzlich anderen zieht? Bleibt die erste Heimat für immer Heimat oder wächst eine neue dazu – oder kann man mit dem Begriff Heimat gar nichts anfangen (Heimat, dieses wabbelige Gefühl).
Die Kneipe. Der Verein. Die SPD. All das kann Heimat sein (letzteres, … na ja). Und Deutschland? Hätte man den Osten nicht aufgebrochen, könnte dieses Land meine Heimat sein. Aber wir wachsen ja zusammen. Die Nazis sind überall und das gibt uns doch geschichtlich gesehen ein waberndes Gefühl von Heimat.
Die Kneipe. Der Verein. Die SPD (und ihre Ortsvereine). Heimat liegt auf kommunaler Ebene? Ja, da sicher auch. Heimat liegt in der Vergangenheit (die BRD der 70er und 80er) und in der Zukunft (eine vereinte, globale Heimat auf dem Planeten Erde). Und natürlich in der Gegenwart. Wie gesagt: Die Debatte darüber, was, wo und wie Heimat ist, ist schon eine spannende Geschichte – ich hoffe mal, sie bleibt uns noch eine Weile erhalten, denn der Begriff ist meiner Meinung nach wirklich viel zu schade, um ihn den Rechten kampflos zu überlassen.
Unsere Heimat sind nicht nur die Städte und Dörfer, Unsere Heimat sind auch all die Bäume im Wald, Unsere Heimat ist das Gras auf der Wise, das Korn auf dem Feld, Und die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde Und die Fische im Fluß sind die Heimat. Und wir lieben die Heimat , die schöne und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört, Weil sie unserem Volke gehört. kurz und knackig jeder Kommentar erübrigt sich? oder doch: D i e s e Gefühle wollen sie uns austreiben, das wollen sie verächtlich machen, die Päderasten!
Hallo! Entschuldige die späte Freischaltung, dein Kommentar war als „Spam“ markiert, da musste ich erst zweimal überlegen, wie damit zu verfahren sei. Die Heimat, die du beschreibst, die Erde, gehört tatsächlich uns: Uns allen, denn wie gesagt, ich denke „Heimat“ auch immer global. Insofern wäre das „Volk“ tatsächlich „das gemeinsame Volk, das wir uns erst noch schaffen müssen, das Volk der Menschen“.
Sicher klingt das jetzt utopisch – aber ich denke, unschaffbar ist es nicht. Über die „Päderasten“ aber, wie du sie bezeichnest, habe ich mir auch schon Gedanken gemacht: Wer sie sind, wo sie sitzen, was sie denken… Ich habe dazu ja eine ganz eigene Theorie. Aber die ist im Moment noch nicht spruchreif, vielleicht blogge ich darüber dann das nächste Mal.
Danke Autor Thomas Ito!
Gern geschehen. Hat Spaß gemacht zu schreiben.