Die irre Republik

In meinen letzten beiden Blogbeiträgen habe ich mich mal wieder verdammt weit aus dem Fenster gelehnt… zumindest kommt es mir so vor. Erst frage ich, was Gott will, dann oute ich mich als bipolar, teile die Links zu meinen Artikeln so weit, wie’s eben geht und ziehe mich dann dezent aus der öffentlichen Debatte zurück: Irgendwie war’s wohl an der Zeit, einfach mal mein dummes Maul zu halten, anstatt ungefragt Meinungen in den virtuellen Raum zu blasen? Ja, das kann schon sein.

Dass ich mein dummes Maul aber auch einfach nicht halten kann: Es ist nun mal eine Tatsache. Wenn ich nicht gerade blogge, dann schreibe ich nicht nur Tweets und Facebook-Posts, sondern beteilige mich mit Mails an Gott, die Welt und die politischen Parteien dieser Republik auch gern am Prozess der demokratischen Willensbildung. Angefangen hat das Ganze ungefähr im April 2015, als mir pünktlich zu meinem 46. Geburtstag klar wurde, dass mein Leben auch nicht ewig währen würde, als ich mich nach der Trennung von der besten Frau von allen fragen musste: Was bleibt eigentlich von mir auf dieser Erde, wenn ich mal nicht mehr bin?

Angefangen hat das Ganze eigentlich schon viel früher: Nachdem der Anschluss der DDR an die BRD so gelaufen war, wie er nun mal gelaufen ist, entwickelte ich 1994/95 eine schizoaffektive Psychose aus dem maniformen Formenkreis, so lautete damals die Diagnose dafür, dass mich der Zustand der Welt und der Kurs, auf dem sich die Gesellschaft im nun wiedervereinigten Deutschland befand, mit tiefer Sorge erfüllte.

Klar spielten auch noch persönliche Gründe eine Rolle bei der Entstehung meiner Psychose, aber die tun im Augenblick nichts zur Sache. Die werden alle genauer beschrieben in der Autobiografie, die ich gerade schreibe und die – so Gott will – sicher auch einen Verlag finden wird, wenn sie mal fertig ist. Sollte sich wider Erwarten kein Verlag finden, würde ich das Buch ja sogar selbst verlegen wollen, es kann ja auch nicht so schwer sein, einen Verlag zu gründen und eine Druckerei zu beauftragen, mal ein-, zweitausend Exemplare meiner persönlichen Geschichte in eine präsentable Form zu bringen. Käufer für das Buch würden sich sicher auch finden, davon gehe ich aus.

Aber eigentlich sollte es in diesem Blogbeitrag doch gar nicht um mich gehen, sondern um den Zustand der Republik: Wenn ich mir den ansehe, dann frage ich mich manchmal, ob die weisen Führerinnen und Führer dieses Landes eigentlich komplett den Verstand verloren haben? Und wenn sie den Verstand verloren haben sollten: Ob es irgendwie mit meinem kommunikativen Handeln zu tun haben könnte? Pünktlich zu Pfingsten, als ich meinen Text über den Willen Gottes mit dem Internet geteilt habe, teilte ich mit einigen Institutionen und Menschen des Vertrauens einen Text mit dem Titel „Was ist Globalismus?“

Kann es denn wirklich sein, dass die aktuelle Krise nur eine allergische Reaktion des Systems auf einige meiner Thesen ist? Ein guter Freund meinte, ich solle mich mal nicht so wichtig nehmen… Bei der Kommunikation komme es ja nicht nur darauf an, was der Sender sendet, sondern auch darauf, wie der Empfänger die Botschaft aufnimmt. Insofern träfe mich, wenn überhaupt, dann nur minimale Schuld. Dieser Gedanke kam mir irgendwie schon beruhigend vor. Ich wäre nur ungern der „Hauptverantwortliche für alles“, was gerade in Berlin an Zwietracht zwischen den Parteien herrscht.

Oder etwa nicht? Zöge ich mir eventuell doch gern den Schuh an, dass ich die Krise zwischen CDU und CSU mit ausgelöst habe? Natürlich, da fühlte ich mich doch gleich viel „wirkmächtiger“, es wäre Balsam für das Ego, wenn ich tatsächlich so viel Macht besäße, wie ich mir in meine kühnen Träumen gern herbeifantasiere. Aber zu einer Republik gehören mehr als nur eine Handvoll Leute in Berlin, Bonn und Frankfurt, der demokratische Diskurs ist ein ganz schönes Biest, an dem viele Köpfe beteiligt sind, zum Teil sogar verdammt clevere Köpfe.

Nein, wenn die Republik im Moment so krank ist, wie sie nun mal ist, dann liegt das sicherlich nicht nur an mir. Meine Rolle in diesem Spiel kann bestenfalls minimal sein, eigentlich kommentiere ich ja nur vom Spielfeldrand, was auf der großen Bühne dieser Welt gespielt wird.

Was ich mir wünschen würde: Dass die Wirrnis bald ein wenig nachlässt, dass dieses Land zur Abwechslung mal wieder eine stabile Regierung hat, dass unsere weisen Führerinnen und Führer sich zusammensetzen und gute Kompromisse finden. Davon lebt eine Demokratie doch schließlich, verdammt noch eins.

In diesem Sinne: Genesungswünsche an die Republik, die aktuell mit ihrer eigenen Psychose zu ringen scheint. Als Ex-Patient kann ich nur sagen, dass der Wahnsinn sich oft gut beherrschen lässt, wenn eine Krankheitseinsicht vorhanden ist und die Arznei regelmäßig eingenommen wird. Den Egos in Berlin sende ich die besten Grüße aus der Mainmetropole mit der markanten Skyline: Sicher machen wir als Republik gerade eine Krise durch, aber wenn wir die als Chance begreifen, dann kann dieses Land sicher an sich selber wachsen.

Wir schaffen das, so hat Angela Merkel wohl 2015 formuliert, aber was wir schaffen und wer wir sind, das hat sie nicht gesagt. Deshalb streiten wir seit mittlerweile gut drei Jahren nur noch über die Flüchtlingskrise, auf deren Höhepunkt die berühmten drei Worte Merkels fielen. Dass „wir“ aber viel mehr ist als nur „wir Deutschen“ und das „das“ viel mehr ist als nur die Integration von ein paar neuen Bürgern in unsere demokratische Gemeinschaft: Das ist mein fester Glaube. Insofern sage ich auch heute gern: Wir schaffen das. Egal, was es ist. Egal, wie wir das „Wir“ definieren. Wir schaffen das, zusammen, nicht allein. Nicht nur im europäischen, sondern auch im globalen Kontext.

Ob mir das wohl jemand abnimmt? Das nimmt mir sicher keiner ab. Ist schon okay. Viele, vielleicht sogar die meisten, tragen ihr Kreuz ganz allein, wieso sollte es mir anders gehen? Gemeinsam sind wir unterwegs nach Golgatha, wir tragen unsere Kreuze, und am Schluss hängen wir zusammen auf dem Gipfel rum und genießen die tolle Aussicht auf Jerusalem.

Doch, wir schaffen das. Zusammen, nicht allein. Wir schaffen das. Das kriegen wir schon hin.

 

Autor: Thomas

Geboren im Frühjahr 1969, vermutlich als Teil des Manjurian Program jahrelang darauf trainiert, die USA im Ernstfall zu verteidigen. Bei einem Aufenthalt in Japan sensibilisiert worden für amerikanische, russische und japanische Kriegsverbrechen, jahrelang als "Ronin Warrior" zwischen Ost und West unterwegs. Super Soldier. Kriegsheld. Iron Man.

6 Gedanken zu „Die irre Republik“

  1. Doch, ich nehme Dir das ab und Stimme gerne mit ein: Wir schaffen das!
    (Bewusst auch von mir offen gehaltenes „wir“ und „das“.)

  2. Es gibt aber keinen Kreuz der getragen werden muss.
    Oups, ich soll aber nicht die Ergebnisse verraten.. 🙂
    Es ist nicht das „was“ man sagt sondern das „wer“ und auch das „wie“…
    Ich kann dieser Welt der „jeder hilft jeden“ nicht mehr leiden.. weil diese das kollektive Leid und Unterdrückung verlängert. Die Unterdrückung fängt in einen selbst an, im Kopf, wird von außen verstärkt…
    Was wäre wenn man sich erhebt!!!!
    Vorher müsste man einiges verstehen, erleben, verarbeiten oder einfach Glück haben. Damit man zu dieser Erkentniss kommt. Dann, na dann ist man aber, unbezwingbar 😉

    1. Danke für den lieben Kommentar… und sorry, dass es was gedauert hat mit dem Freischalten:
      War für ein paar Tage „semi-offline“, habe mich über deine lieben Worte aber sehr gefreut!
      Klar, manchmal muss man sich erheben, den eigenen Hintern hochbekommen, Lösungsvorschläge ins System einspeisen – und sehen, wie das System die Vorschläge verdaut.
      „Unbezwingbar“ ist allerdings ein ziemlich großes Wort… Sagen wir mal so: Wir geben uns doch alle Mühe, das System zu verbessern. Und wenn wir dabei zusammenarbeiten, haben wir, denke ich, ganz gute Aussichten auf Erfolg.
      Dir einen lieben Gruß, Thomas

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